Meeting Rubén González

von Siegfried Pisalla

Ich hatte unseren kubanischen Freund und Gastgeber Nelson Benitéz schon einige Tage unseres Aufenthaltes in Havanna mit der Frage belegt, ob er denn Ruben González kennt. Diplomatisch und höflich hatte er gesagt, er hätte den Namen wohl schon einmal gehört. So ganz überzeugend klang das nicht in meinen Ohren, wollte er doch vielleicht einfach nur nicht nein sagen. Guter Nelson! Unser Urlaub in der Stadt neigte sich Anfang August langsam dem Ende entgegen. Ganz ohne einen Versuch "ihn", dessen CD mich auf meiner Geburtstagsparty 14-Tage vorher zuhause in Deutschland so fasziniert hatte, zu finden, wollte ich Havanna doch nicht verlassen. Man entschloß sich nach Ruben González zu suchen.    

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Ruben im Eingang seines Hauses

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Nelson Benitez, Ruben Gonzalez, Siegfried Pisalla

Ich hatte sinnigerweise Nelson´s  Telefonbuch Havannas durchgeblättert und auch einen Teilnehmer Ruben Gonzalez gefunden. Nelson rief dort an, aber es war nicht der Gesuchte. Gonzalez ist im spanischen Lebensraum ein recht geläufiger Name, mir ist die Übersetzung nicht parat, aber er dürfte die Häufigkeit von "Müller" in Deutschland erreichen. Nelson schlug vor, das Kultur- ministerium aufzusuchen, das nur ein paar Strassen von seinem Haus im Alstadtviertel Vedado entfernt liegt. Im sozialistischen Kuba ist der Kulturbetrieb organisiert wie wir Deutsche es aus den Zeiten der DDR kennen. Künstler werden von staatlichen Agenturen gemanagt, was den Vorteil hat, daß keiner um seine Existenz bangen muß, allerdings sind
der persönlichen Initiative und der freien Entwicklung einer Künstlerper- sönlichkeit auch Grenzen gesetzt.

Unser Weg führte vom Ministerium zur Agentur "Benny Moré" in der Calle Quinze. Ein Flachbau an einer Straßenecke nicht weit vom Zentrum der Stadt. Wim Wenders und Ry Cooders Film "Buena Vista Social Club", der zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschienen war, ist in einigen Szenen hier gedreht worden. 
Vor der Agentur verstreut in kleinen Gruppen Wartende. Man "hing" hier scheinbar herum, aus unterschied- lichen Gründen: wegen eines Dates oder weil sich der eine oder andere erhoffte "entdeckt" zu werden. 

Der Weg in das Gebäude führte durch eine zweiflügelige Pendeltür mit Fenstern. Drinnen lange Flure, von denen links  die Büros durch Fenster abgetrennt waren. In meinem Leben kannte ich diesen Baustil nur aus Amerika. Sie strahlten den unnach- ahmlichen Charme der fünfziger Jahre aus. Wie Havanna überhaupt! Dass diese Stadt von den Vereinten Nationen zum Weltkulturerbe erklärt wurde ist hoffnungverheißend. Möge sie diesen Charme während aller kommenden "Modernisierungen" nie verlieren. Für mich ist sie neben Venedig eine der Schönsten.

Einer der freundlichen "Agenten" gab uns die Auskunft, dass ein Mitarbeiter von ihm Ruben heute morgen noch in der Nähe seiner Wohnung gesprochen hätte. Wir bekamen die Adresse von ihm und waren gleich wieder unterwegs, wie immer in Nelsons altem LADA. Zum Thema "Autos auf der Zuckerinsel" bei Gelegenheit mehr.                                   

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Ruben am Piano

Wir brauchten keine halbe Stunde  und waren um die Ecke der Strasse, wo Ruben wohnen sollte. Ein Junge  brachte uns gegen ein kleines "Bakshish" direkt vors Haus. Er kannte den alten Mann, so wie alle sich in den Wohnquartieren kennen, Havanna ist groß, aber man lebt hier nicht anonym. Ausserdem waren wir wahrscheinlich in letzter Zeit nicht die Einzigen, die nach ihm gesucht hatten.  

Ich ging auf das Haus zu, auf das der Junge zeigte und konnte es kaum glauben:

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Piano mit Decke zum Schutz gegen Holzwürmer!

Da war er, der Mann dessen Klavier- spiel mich die letzten Wochen so ver- zaubert hatte wie lange nichts zuvor. Ich dachte bei mir, das ist nicht wahr! Wir fliegen nach Havanna und treffen "so einfach" einen der faszinierensten Pianisten den Kuba in diesem Jahrhundert hervorgebracht hat. Aber es war kein Traum: Ohne zu zögern, bat uns Ruben sofort in sein Haus, nachdem Nelson in gefragt hatte, ob er Señior González sei. Ruben schien zu ahnen, daß es sich bei uns um "Medienleute" handeln mußte oder anders gesagt, hatte er die letzten 2 Jahre sehr viel Umgang mit westlichen Medienleuten gehabt und war schnell vertraut mit der Situation.
Nelson stellte mich als Musikpro- duzent mit Frau aus Deutschland vor und sofort machte Ruben Komplimente an die Schönheit der europäischen Damen, war gleich der galante Charmeur, für den man  ihn schon hält, wenn man ihn nur auf Bildern seiner in den 40iger Jahren aufgenommenen Schallplatten sieht. Nachdem er uns erzählte, daß er 14 Kinder und dutzende Enkel hat, war uns "alles" klar: Ruben - ein Liebling und Liebhaber der Frauen.  Im Verlauf des weiteren Gesprächs erwies er sich auch als sehr vertraut mit Europa, als Kenner und Freund der Musik Mozarts und Chopins.

Er erzählte und spielte für uns auf seinem Instrument,einem Technics Digital-Piano, dessen Sequenzer Memory-Funktion er ganz besonders stolz vorführte, indem er einen Lauf spielte, aufzeichnete und dann auf Tastendruck wieder ablaufen ließ.

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Orangensaft im Hotel "Inglaterra"

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Des Zaubermeister's Hände

Doch je weiter das Gespräch voranschritt, desto unwohler wurde mir. Ich saß vor einem Menschen, mit dem ich mich gerne selbst unterhalten hätte, über Musik , das Klavierspiel, das Leben in Kuba - aber ich war zum Schweigen vergattert - konnte mich nur über Nelson als Dolmetscher  verständigen -aber Nelson ist kein Musiker - er ist Ingenieur für Thermo-Energetik- ein liebenswerter und netter Freund, aber eben kein Musiker. Ich wünschte mir in dem Moment spanisch zu sprechen oder ein eigenes Instrument dabeigehabt zu haben und einfach mit Ruben eine Session veranstaltet zu haben. Musik als die internationale Sprache- es hätte sicherlich besser funktioniert. So blieb nur, es trotz allem als einen besonderen und schönen Augenblick zu geniessen
Am Abend luden wir Ruben zum Essen in das wunderhübsche Hotel "Inglaterra" ein. Wenn Sie einmal in Havanna sind, lassen Sie sich dieses Hotel nicht entgehen. Es ist eine der schönsten Umgebungen für Rubens Musik: bezaubernder kolonialer Baustil, vorzügliches Essen, wunderbare romantische Atmosphäre in der Piano-Bar, deren Pianisten Ruben alle kennt und die ihn kennen. Hier könnte sich der Zauber der Gonzaleschen Musik entwickelt haben: "Chopin spielt Jazz in der Karibik" und vielleicht trifft er dabei auch noch "Fritz the Cat", so wie es Ry Cooder beschrieben hatte.

Interessante Informationen zu kubanischer Musik finden Sie hier.

 

 

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